VANstaltungen KW 8

VANstaltungen KW 625. Februar bis 3. März 2016

Jede Woche neu: unsere subjektiv zusammengestellte und ausschweifend kommentierte Übersicht über interessante Termine in den kommenden Tagen.

Kölner Fest für alte Musik

Die alte Musik, die frühe Musik, ist weiter auf dem Vormarsch; diese Woche stellt Folkert Uhde in FAT CREAM eine Aufnahme von Jordi Savall vor, demselben Jordi Savall, der im Interview mit VAN über die Musik als letzte Zuflucht der Freiheit spricht, als Ausdruck einer ursprünglichen Menschlichkeit. Jordi Savall ist auch in Köln, beim Fest für alte Musik, das am kommenden Wochenende beginnt. Das Motto ist »I have a dream«, aber es sind nicht die sanften, märchenhaften Träume, sondern es geht um Tod, Flucht, Utopie. Was werden wir tun? Wir schauen uns FUGIT an, ein interaktives Musiktheater, wir sprechen mit der Oboistin Xenia Löffler und sehen ihr Programm »Es ist genug«. Mehr dazu bald in VAN.

27.2.-13.3. Köln, diverse Orte

Neues Stück von Manos Tsangaris

Manos Tsangaris’ Ansatz an Musiktheaterproduktion ist erstmal immer ein bisschen lustig, der Eindruck wird nicht weniger, wenn man das Vergnügen hatte, ihn ein bisschen kennenzulernen. In dieser spielerischen Anarchie wird es dann aber messerscharf und todernst, und deswegen muss man sich jedes Stück von ihm wie eine Maschine vorstellen, wie eine geheime Alchemie, die bereit ist, das Risiko der Selbstreferentialität einzugehen, für den Fall, dass es einmal nicht hinhaut. Seine neue Komposition, Das Pizzicato Mysterium, geht

auf ein Gespräch mit einem Viola-Spieler über die Schwierigkeiten und Geheimnisse des Tutti-Pizzicato-Unisono im Orchester zurück, auf das Staunen darüber, wie sich so viele Geister in einem Ton treffen können. Und die Diskussion darüber, ob der Dirigent oder die Dirigentin hierbei von Nutzen oder hinderlich ist?

Schon wieder! »Pizzicato Mysterium«, der Name, auch diese Story, es könnte ein Kinderbuch mit Klappentext sein. Vielleicht aber, ist es auch ein ähnliches Mysterium wie ein Schumannkonzert (Klavier, a-Moll) oder eine Beethovensinfonie (die zweite).

25.2. München, Prinzregententheater

Foto Elmer de Haas
Foto Elmer de Haas

Barbara Hannigan, Schönberg

Leoš Janáčeks Quartett No. 2 ruft ›Intime Briefe‹ auf, die der Komponist an Kamila Stösslová schrieb – mit der er seiner Ansicht nach viele ›liebe Erlebnisse‹ hatte: ›Diese werden nun«, so Janáček, »wie kleine Feuer in meiner Seele die schönsten Melodien entzünden.‹

Entzünden, das ist auch das Wort, das einem einfällt, wenn man von diesem Konzert liest. Die tolle, schöne, großartige Barbara Hannigan ist Porträtkünstlerin der Bamberger Symphoniker, mit den Stimmführern des Orchesters spielt sie ein Programm, in dem es um Farben der Liebe geht, und an dem alles interessant ist: ein Streichquartett von Schönberg mit Versen von George, Musik von Janáček, dessen Musik wie der Wind gerade immer öfter um die Häuser zieht. Und der melancholische Ernest Chaussons. Und Barbara Hannigan, falls wir das nicht schon erwähnt haben.

28.2. Bamberg, Konzerthalle

Chor@Berlin im Radialsystem

In unserer aktuellen Playlist, beschreibt der Chor- und Ensembleleiter, Singanimator und Stummfilmpianist Michael Betzner-Brandt die klangliche Wucht von Anton Bruckners Motetten, »die nie forciert klingt, diese eleganten Phrasierungen«, an anderer Stelle spricht er davon, wie sich die eigenen Formen der ursprünglichen Vokalmusik von Bobby McFerrin nicht ohne weiteres mit Instrumenten nachspielen” lassen. Wir geben zu, an dieser Stelle erscheint meist Instrumentales – diese Woche gibt das Chor@Berlin Festival im Radialsystem Gelegenheit, mal einen reinen Vokal-Event zu empfehlen: Von Donnerstag bis Sonntag gibt es 6 Konzerte, darunter die von Folkert Uhde designte Konzertinstallation »Nacht Lieder« mit dem Deutschen Jugendkammerchor, oder den »Ich-kann-nicht-singen-Chor« unter Leitung des besagten Michael Betzner-Brandt, in dem »alle, die bisher nicht zu singen wagten, eingeladen sind, neue Erfahrungen zu sammeln, dabei unbekannte Lieder und Texte kennenzulernen und diese gemeinsam mit dem Berliner Begegnungschor zum Klingen zu bringen.« Daneben gibts Workshops und einen Intensivkurs Chordirigieren.

25.-28.2. Berlin, Radialsystem

Black Hole / Solistenensemble Kaleidoskop

Das Abenteuer entsteht oft an der Grenze, dort wo Scheitern, Dilettantismus und Fortschreiben nah beieinander liegen. Hier tummelt sich seit 10 Jahren das Solistenensemble Kaleidoskop, das uns mit seinen Konzerten und Performances mal zur Verzweiflung, mal zum Erstaunen, mal zur Weißglut bringt, aber nie unberührt lässt. Das neue Stück, die installative Musikperformance Black Hole, beschäftigt sich mit Trauerritualen und soll in Zusammenarbeit mit dem Hypnotiseur Martin Eder »eine jenseitige akustische und visuelle Zwischenwelt – auf der Suche nach den Möglichkeiten von gemeinschaftlichen Erfahrungen in der Trauer« schaffen. Mal gucken, entlang welcher Grenzen sich dieses Mal die Geister scheiden.

25.-28.2. Berlin, Sophiensaele

Foto Kunsthaus Bregenz
Foto Kunsthaus Bregenz

Susan Philipsz im Kunsthaus Bregenz

Auch in den Arbeiten der schottischen Turner-Preisträgerin Susan Philipsz spielen Trauer und Trauma eine wichtige Rolle, zum Beispiel in ihrer Werkserie War Damaged Musical Instruments (2015), die gerade an der Tate zu sehen ist und in der sie mit im Zweiten Weltkrieg beschädigten Instrumenten arbeitet. Für ihr Projekt im Kunsthaus Bregenz nimmt sie den vom Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfenen Bau selbst als Ausgangspunkt:

Das Kunsthaus Bregenz hat eine ganz besondere Atmosphäre. Irgendwo las ich, dass die Architektur des am dunstverhangenen Ufer des Bodensees gelegenen Gebäudes von dem Licht inspiriert wurde, das vom See reflektiert wird. Das Licht im Januar stelle ich mir durch den Nebel gefiltert vor, die Weite des Bodensees nur schemenhaft durch den Dunstschleier erkennbar. Ich habe mich in meinem Projekt von der Atmosphäre des Ortes inspirieren lassen und möchte darüber hinaus auch die Geschichte der Region erforschen. Im Kunsthaus Bregenz möchte ich Aspekte wie Verschwinden, Undeutlichkeit und Abwesenheit thematisieren und die Gegebenheiten des Ortes mit seiner Geschichte verbinden.

Nebel als Metapher war auch titelgebend für den Dokumentarfilm Nuit et brouillard (Nacht und Nebel, 1955) von Alain Resnais, der die Deportationen in die Konzentrationslager Auschwitz und Majdanek rekonstruierte — und die Erinnerung an diesen Orten zum Thema macht. Der aus dem Exil zurückgekehrte Hanns Eisler komponierte für den Film die Musik, die Philipsz in die einzelnen Stimmen der Instrumente zerlegt und voneinander isoliert in den vier Stockwerken des Kunsthauses installiert und synchron abspielt.

Jeder Ton wird separiert, sodass Lücken und Pausen an den Stellen entstehen, an denen die anderen Instrumente einsetzen sollten. Auf jeder Ebene ertönt das Werk anders, die Komposition wiederholt sich jedoch, und so entsteht im gesamten Gebäude ein Gefühl der Wiederholung, wenn sich die Klänge der unterschiedlichen Ebenen an unerwarteten Stellen miteinander verbinden.

Parallel zur Ausstellung erarbeitet Philipsz eine zweite Soundinstallation auf dem Jüdischen Friedhof in Hohenems:

Der Friedhof liegt an einem steilen Hang, und die Stufen, die durch den Friedhof führen, erinnern an das steile Treppenhaus im Kunsthaus. Während die Besucher die Stufen des Friedhofs erklimmen, können sie einen fünften Teil der Komposition Nuit et brouillard vernehmen — den Part der Flöte, der aus dem den Friedhof umgebenden Wald dringen wird. […]

Bis 3.4. im Kunsthaus Bregenz und Jüdischem Friedhof in Hohenems

Dog Days in Bielefeld

In unserer letzten Ausgabe ging es um die Verantwortung gegenüber der Kunst, das Ringen um den einzelnen Ton, die Möglichkeiten von Musik, Sinn zu schaffen, Heimat zu geben. Dem stellen sich Künstler/innen alltäglich auf der großen und kleinen Bühne, darauf und dahinter. Zum Beispiel am Theater Bielefeld. Zum Beispiel, indem man neue Stücke entdeckt und heranholt, die schon andernorts für Furore gesorgt haben. Zum Beispiel die Oper Dog Days des amerikanischen Komponisten und Perkussionisten David T. Little aus dem Jahr 2012:

Die Welt steht vor dem Untergang, die Menschheit am Ende ihrer Existenz(berechtigung): Im Ländlichen freundet sich Lisa mit Prince an, einem als Hund lebenden Bettler. Damit löst sie nicht nur Begeisterung bei ihrer Familie aus. Lisas Brüder erliegen Drogenkonsum und Faulheit, ihre Eltern zermürben sich zwischen Überlebenskampf und Kinderliebe. Sukzessive treibt der ausgehungerte Clan einer Katastrophe entgegen …

Zum düster-poetischen Libretto von Royce Vavrek kommt Littles Musik, ein eklektischer Mix aus Pop, Post-Minimal, Operatic Metal, elektrischen Gitarren, Percussions und klassischer Musiktheatersprache. Am Theater Bielefeld feiert Dog Days diese Woche seine Europäische Erstaufführung, ein lebendiges künstlerisches Manifest gegen die erneuten Sparauflagen, mit denen sich das Haus seit einigen Tagen konfrontiert sieht.

27.2. Bielefeld, Stadttheater, PremiereWeitere Aufführungen: 1.3., 12.3., 3.4., 14.4, 22.4.

Maisky und Argerich auf »Friendship«-Tour

Foto Tobias Stäbler
Foto Tobias Stäbler

Als die Wolken verzogen sind und wir hinaus in den Garten gehen, bringt er sofort einen Fußball ins Spiel und drischt darauf los wie der Junge vom Bolzplatz, der als Auswahlspieler einer lettischen Regionalmannschaft einst ernsthaft über eine Fußballerkarriere nachdachte (exzellente Schusstechnik, »russische Schule« in jeder Hinsicht). Man könnte jetzt hier mit ihm auf dem Rasen auch spontan ein schnelles 2 gegen 2 aufziehen.

Mischa Maisky war einer der allerersten Künstler, die wir porträtiert haben, und der Besuch bei ihm zu Hause in der Nähe von Brüssel setzte bis heute nie wieder erreichte Maßstäbe. Aus den mit Anekdoten, Geschichten, Pointen seines Lebens hätte man Bücher füllen können. Ein Melodien-Fetischist, Kampfschwein, Fussballgott, Spassmacher, Jäger und Sammler, Schlawiner … und wir dachten: Wow, wenn alle Musiker/innen in dieser Klassikwelt so offen, charmant, spontan und farbenreich sind, dann wird VAN eine reine Vergnügungsfahrt.

»Er besitze keine Schmetterlings-Mentalität«, sagte er uns damals. Die große Loyalität gegenüber Menschen, Dingen, Institutionen – sie zeigt sich auch in der mittlerweile 40 Jahre währenden kammermusikalischen Partnerschaft mit Martha Argerich. Die beiden gehen nun zum Jubiläum auf eine »Friendship«-Tour.

2.3. Hamburg, Laeiszhalle4.3. Düsseldorf, Tonhalle6.3. Hannover, NDR Landesfunkhaus8.3. Frankfurt, Alte Oper9.3. Stuttgart, Liederhalle12.3. Köln, Philharmonie14.3. Berlin, Philharmonie16.3. München, Herkulessaal