032/250: Jeanne Demessieux

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250 Komponistinnen. Folge 32: Die fleißigste Organistin des 20. Jahrhunderts.

Text · Datum 27.5.2020

Jeanne Demessieux wurde am 13. Februar 1921 am Mittelmeer, genauer: in der Stadt Montpellier geboren. Eine äußerst früh sich zeigende und entsprechend kompetent geförderte musikalische Begabung führte gleich zu mehreren Abschlüssen am Konservatorium ihrer Heimatstadt und zu der Ernennung Demessieux’ zur Titularorganistin an Saint-Esprit in Paris. Im Alter von 12 Jahren! Weitere Studien – dann in Paris am Konservatorium – unternahm Demessieux in den Fächern Klavier, Kontrapunkt und Harmonielehre – und schließlich in Komposition.

Von vielen großen französischen Organisten ihrer Zeit – die auch fast alle mehr oder weniger bekannte Komponisten waren oder wurden – sind Lobeshymnen auf die musikalischen Fähigkeiten von Jeanne Demessieux zu lesen: Marcel Dupré (1886–1971) und Olivier Messiaen (1908–1992). Dupré wurde zu dem wichtigsten Förderer und Lehrer von Demessieux, verfeinerte ihr Orgelspiel und vermittelte ihr den Zugang und die Liebe zu einem umfänglichen Repertoire. Durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges allerdings wurde Demessieux in ihrem kreativen Elan insofern gestoppt, als dass Auftritte außerhalb von Gottesdiensten, die sie weiterhin pflichtbewusst von der Orgel aus gestaltete, kaum stattfinden konnten.

Nach fast 30 Jahren organistischer Tätigkeit an der Pfarrkirche Saint-Esprit wechselte Demessieux mit 41 Jahren an die Pariser La Madeleine, circa 400 Meter nordöstlich vom Place de la Concorde gelegen. An der dortigen Aristide Cavaillé-Coll-Orgel hatten bereits Legenden wie Camille Saint-Saëns (in der Zeit von 1858 bis 1877), Théodore Dubois (1877 bis 1896) und Gabriel Fauré (1896 bis 1905) ihren Titularorganisten-Dienst geleistet.

Demessieux unterrichtete auch fortan Schüler*innen im Orgelspiel und wurde durch eindrückliche Gesamteinspielungen großer Orgelwerkkataloge – wie die von Bach, Franck und Dupré – weit über die Grenzen ihres Heimatlandes bekannt.

Ab 1950 bekleidete Demessieux, die wohl als fleißigste und mithin bekannteste Organistin des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann, zusätzlich noch eine Orgelprofessur am Konservatorium von Nancy – und ab 1952 am Lütticher Konservatorium.

Bald schränkte eine Krebserkrankung ihre kreativen und pädagogischen Potentiale ein. Im Alter von nur 47 Jahren starb Demessieux an eben jener Erkrankung am 11. November 1968 in Paris.

Jeanne Demessieux (1921–1968)Te Deum op. 11 (1957/58)

Jeanne Demessieux schrieb vor allem Lieder, Chor- und Orgelwerke, das Oratorium Chanson de Roland sowie ein paar Werke für Orchester.

Ihr Te Deum op. 11 für Orgel entstand in den Jahren 1957 und 1958 und beginnt mit den gleichen Tönen wie der Song Smoke on the Water der Rockband Deep Purple aus dem Jahr 1972. Auf das dreitönige Motto folgt ein voller, wohliger A-Dur-Akkord im Fortissimo. Und schon im zweiten Takt kommt es auf dem letzten Akkord zu einer Reibung von gleichzeitigem Moll und Dur. Die Soundpfähle der Moderne – von einer hauptamtlichen Organistin selbstbewusst auf die Manuale gesetzt.

Das Smoke-on-the-Water-Motiv wird sogleich wieder aufgenommen. Bald geht es mit aufregenden – zwischen Impressionismus, Neutönerei und Jazz herrlich kaleidoskopartig glitzernden – Akkord-Ranken weiter, die in sich noch anschlagsspezifisch aufgesplittet sind: Staccato vs. Portato. Plötzlich rasselt ein hereinbrechender Lauf mit dem Gestus der impulsiven Orgel-Improvisatorin die Tastatur runter. Fermate. Ein Moment des Wartens, Überlegens.

Jeanne Demessieux wurde mit nur zwölf Jahren Titularorganistin an Saint-Esprit in Paris. 24 Jahre später komponiert sie ihr ›Te deum‹, ebenfalls für Orgel. Arno Lücker stellt das Werk vor in @vanmusik.

Das Motiv des Beginns kehrt wieder – nun mitreißend aufgeteilt in abwechselnde Staccato-Töne im Oktavabstand. Das Ganze findet sich jetzt zudem ins Pedal verlegt – und bildet nun die wuppige Basis für ein höchst eindrückliches, genussvolles und brillantes Stück Orgelmusik typisch französischer Provenienz. ¶