VANstaltungen 1. Juni – 6. Juni

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Matt Haimovitz in Berlin, Leo Hofmann bei Blurred Edges, Opolais und Nelsons mit dem Gewandhausorchester, zwei Ensemble-Resonanz-Formate und eine Berlioz-Oper mit Rattle, Kožená und der Staatskapelle.

Text & · Titelbild Jörg Hejkal · Datum 24.5.2017

Drüben in unserer amerikanischen Ausgabe, berichtet der Freigeist Matt Haimovitz in seiner regelmäßigen Kolumne aus der großen weiten Welt des Klassik-Establishment-Aussteigers. Am 6. Juni spielt er mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin unter anderem Schuberts Arpeggione-Sonate in einer Orchesterbearbeitung seiner Frau Luna Pearl Woolf. Oft ist er nicht in town, Haimovitz wohnt mittlerweile in Montreal und schert sich nicht groß um den internationalen Jet Set, also hingehen.

Der Komponist und Musikperformer Andi Otto über seinen Kollegen Leo Hofmann:

Als wir beide letztes Jahr (von 2017 aus gesehen: vorletztes Jahr, d. Red.) zusammen zu einem Gastspiel auf die Insel Santorin eingeladen waren, blieb er bei bestem Seele-Baumeln-Lassen-Wetter im Zimmer, weil er Adornos Schriften über Schönberg noch nicht durch hatte. Alle anderen waren am Strand.

Trotzdem schlägt Leos Arbeit selten ins Verkopfte um. Sinne und Sensoren, Fragen der Wahrnehmung und die Emotionalität der Körper stehen bei ihm im Zentrum und saugen den Zuhörer sekundenschnell ein. Es weht ein post-romantischer Hauch durch sein Schaffen, der sich vor großen Gesten nicht scheut.

Leo Hofmann spielt am 3. Juni beim Hamburger Blurred-Edges-Festival zwei Performances, The Reply und Teleprompter Paradise. Wer eine Ahnung vom Humor, der Ernsthaftigkeit und eben dem postromantischen Hauch bekommen möchte, der Maschinen in Anwesenheit von Leo Hofmanns Performer*innen (hier sind es zwei, inklusive Hofmann) schüchtern macht , ist bei Ottos Artikel in VAN bestens aufgehoben, dann aber ab ins Konzert.

Charles Castronovo (Faust), Florian Boesch (Méphistophélès)Bildquelle: © Matthias Baus
Charles Castronovo (Faust), Florian Boesch (Méphistophélès)
Bildquelle: © Matthias Baus

Man hat den Eindruck, dass er eine sehr liebenswürdige Person war, auch wenn er hypersensitiv war und schwierig sein konnte. Er lebte sein reales Leben, stand aber zugleich daneben und sah es sich an: ›Mein Leben‹, schreibt er in einem Brief an einen Freund, ›ist ein Roman, den ich sehr interessant finde.‹

Dass er in den Feldern herumlief, die Berge bewunderte, die Natur hörte, empfänglich für den Klang einer entfernten Kirchenglocke war, findet man in seinem Sinn für Klangfarben wieder, auch in der Räumlichkeit. Er denkt bei der Platzierung der Instrumente wirklich stereophon.¶

Hector Berlioz, charakterisiert von Michel Austin, einem der beiden von Volker Hagedorn in Ausgabe #107 porträtierten Macher*innen der Webseite hberlioz.com. Berlioz’ La damnation de Faust gibt es am 1., 4., 9. und 11. Juni an der Staatsoper im Schiller Theater Berlin in einer Inszenierung des Regisseurs Terry Gilliam.

Auch wenn diese Inszenierung, zum Beispiel auf BR Klassik, gründlich kritisiert wird, visuell geht da einiges, und: Es lohnt sich der Gang wegen der Musik. Simon Rattle dirigiert die Staatskapelle, seine Frau Magdalena Kožená (hier im VAN-Porträt von Benedikt von Bernstorff) singt. Dies war übrigens die erste Aufnahme der Damnation, die Michel Austin besaß.

Das dritte Ehepaar in diesen VANstaltungen und das zweite an Taktstock und Stimmband – hier im Klangraum des Gewandhausorchesters: Kristine Opolais und Andris Nelsons. Für VAN hat Jeffrey Arlo Brown in der letzten VAN-Ausgabe ein flirrendes, offenes Gespräch mit der Sopranistin geführt. Opolais spricht über Sensibilität, die es ihr oft schwer macht, aber ohne die auf der Bühne eben nichts läuft, zumindest für sie. Es gibt vor allem Lieder und Arien von Dvořák, am 3. Juni im Dortmunder Konzerthaus.

Das Ensemble Resonanz bündelt seine Konzerprogramme, ›Ankerangebote‹ und auch den mit VAN veranstalteten Bunkersalon in dieser Saison zu sechs erhabenen Themenclustern. Das letzte in dieser Saison trägt den Namen Gravity. Und was lässt uns die Inkarnation im Reiche der Schwerkraft erst richtig spüren und erträglich machen? Die Liebe.

Wenn die Welt alles ist, was der Fall ist, heißt das auch, dass alles fällt? Die Nähe der Sonne macht das Wachs der Flügel weich. Mit süßen Gesängen lockt die Insel der Sirenen. Außer Hörweite verliert der Zauber seine Wirkung. Wir nehmen mit Mendelssohn eine höhere Bahn: von der Begierde nach dem Himmel gezogen.

Bevor eines der am stärksten vibrierenden Kammerorchester der Städte mit Jörg Widmann am 14. Juni im Kleinen Saal der Elbphilharmonie Mendelssohn spielt(wir verlosen Karten auf dem Sperrsitz), gibt es offbeat: gravity, wo der oben erwähnte Andreas Otto die Tänzerin und Choreographin Victoria Hauke auf Instrumente fallen lässt – und den letzten Bunkersalon der Saison: Zu Gast sind unter anderem die Philosophin Steffi Hobuß und der Schauspieler Yorck Dippe. ¶