Mai-Bagatellen

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Anne-Sophie Mutter

Mai-Bagatellen Klassikkultur auf Facebook, Twitter, Instagram – der Monatsrückblick.


Anne-Sophie Mutter macht jetzt auch Klassik im Club, Yellow Lounge. Na ja, und da war sie vorübergehend einfach ein bisschen aufgekratzt.

An exciting and unconventional setting. I am also looking forward to seeing lots of young music loving people here!

»Setting«, »Exciting«? Wir verstehen nur die Hälfte bei diesem Szenesprech. Geht es da um Drogen?


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Flórez, Vargas, Chailly, Rakers, Garrett, Wurst

Viel simpler und massentauglicher sind klare Assoziationsketten: Klassik (»Startenor Juan Diego Flórez«)? Geht super mit Schlager. Klassik (»Startenor Ramón Vargas«)? Ist irgendwie wie Tagesschau, nur halt ZDF-Fernsehgarten. Klassik? (»Stardirigent Riccardo Chailly«) Na, David Garrett, wer denn sonst? Kommt alle!

(Gefunden auf den Facebookseiten der Filarmonica della Scala, der Deutschen Oper am Rhein und der Wiener Staatsoper)

GEMA, Peter Lachenmann

Die GEMA, bekannt für ihr tolerantes Vorgehen, wenn es um Youtube-Videos geht, verhält sich auch in Sachen Datenspeicherung betont liberal: »Wir ehren den Lachenmann halt für sein Lebenswerk, nicht für seinen Vornamen. Peter, Helmut, ist doch eh alles so Fünfziger, Neue Musik halt. Und ganz ehrlich, bisher hat der monatlich noch immer seinen GEMA-Scheck be… – … !«

Baldur Brönnimann

Passiert auch anderen. »Yeah right«, kommentiert Baldur Brönnimann, Chefdirigent des Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música.

Philadelphia Orchestra

Tücken des Alltags: Man gibt im Sinfoniekonzert den Einsatz für die zweiten Geigen, merkt dann aber, dass man sie beim Zwischenstopp in den Emiraten vergessen hat. Yannick Nézet-Séguin vom Philadelphia Orchestra hat davon jetzt genug. Orangene Brustschilder sind nur der Auftakt der Maßnahmen, mit denen die kleinen und großen Ausreißer jetzt zu rechnen haben.

David Garrett

Ein Bild, das uns Hoffnung macht, gepostet vom Pianisten Julien Quentin, der gerade mit David Garrett auf einer Konzerttournee war. Garrett will es jetzt endlich hinter sich lassen: Die Reisen mit der Kutsche nach Wien, als gepuderter Siebenjähriger, wo er seine Haut vor dem Hochadel zu Markte tragen musste, die Liebesaffäre seiner Clara mit Brahms, die Anfeindungen gegen seine ersten atonalen Stücke, der Knebelvertrag mit Nike und das vermaledeite WM-Finale. Jetzt aber: Einfach mal Spaß haben, auf die Kacke hauen, ganz simples Set-Up (Klavier, Geige, Sinfonieorchester). Go let it out, David.

Gautier Capuçon

Was uns unsere vielen Luis-Vuitton-Koffer sind, ist für den jungen Cellisten das Stelldichein bei der Luis-Vuitton-Stiftung. Egal, was das sympathische Kerlchen auf seiner Facebook-Seite postet, einer der ersten drei Kommentaren verkündet stets: »Je t’aime.«

Lang Lang

Aber: Noch etwas cooler als »mit dem Tennisspieler auf dem Stiftungsempfang« ist »mit James Bond bei der Weltausstellung in Mailand«. Aber grinst Pierce Brosnan da nicht ein klein bisschen gezwungen? Entweder er weiß nicht, mit wem er es zu tun hat (#nischenproblematik), oder er weiß es sehr wohl und hat Angst, dass gleich wieder der Daumen kommt …

Lang Lang II

… wie bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der NYU (20. Mai), dem Zusammentreffen mit Tänzer/innen des Houston Ballet (13. Mai) oder dem Besuch des Basketballspiels der Chicago Bulls (9. Mai). (Alle Instagram)

Gautier Capuçon II

Ganz anders dagegen wieder der introvertierte Franzose: Kennt ihr das? Keine Lust aufzustehen, schlechte Laune, Blei in den Gliedern, für einen Tag genug von der Welt? Kennt Gautier Capuçon ebenso. Da darf er sich auch mal gehen lassen: Cello im glattgestrichenen Bett drapieren, aufstehen, Bild machen und sich einfach mal auskotzen, und 22 suchmaschinenoptimierte Hashtags gleich mit.

Grubinger

Was hilft? Gute Laune! Buzzfeed postet »13 Situationen, in denen Du Dich wie der ESC-Trommler fühlst« und verlinkt dazu dieses gif von Martin Grubinger.

Hawaii

Und schon haben wir Lust, mal wieder bei der Instagram-Seite des Hawaii Symphony Orchstra reinzuschauen, dessen Publikum nicht so fieberhaft über neue Konzertformate nachzudenken scheint, wie man das hierzulande tut.

Christian Thielemann

»Building Bridges« lautete das eher profane Motto des Wiener Eurovision Song Contest … bis sich mit Christian Thielemann im Handumdrehen ganze Dimensionen eröffnen: 

Wie sehr dies auch für die Klassik gilt, erzählt Christian Thielemann in der Titelgeschichte unserer Monatszeitung Presse-Kritiker Wilhelm Sinkovicz. ›Es geht darum, Dinge miteinander zu verbinden.‹

Darüber müssen wir nachdenken.

@chthielemann

Thielemann »building bridges«, die Zweite: Die Landschaft mit Steinbrücke repräsentiert das Profilbild von @chthielemann auf Twitter. Wir wollen nur eins wissen: Ist er es wirklich? Erika Steinbach folgt schon mal. Spricht dafür. »Christian Thielemann« dagegen folgt nur Ergün Dogru (mag offensichtlich Star Wars, Formel 1, Fitnessstudio und Game of Thrones) und Alban Gerhardt (spielt Cello, spricht mit VAN).

Andreas Ottensamer

Unter den vielen Komplimenten, Autogrammwünschen und Herzchen, die die Selbstdarstellung auf der Facebook-Seite des Klarinettisten Andreas Ottensamer feiern, findet sich ein zarter Kommentar von Sujung Crystal Sin:

Form is Emptiness, Emptiness is Form.

Fazil Say

… worüber wir uns aber viel lieber mit Fazil Say unterhalten würden. Oder auch darüber schweigen, bei einer Zigarette. (Interview wird angefragt.)

Ian Bostridge

Auch der Tenor Ian Bostridge sieht nach einem Charakterkopf aus, wahlweise verrückter Professor, Wittgenstein oder David Byrne (Interview wird angefragt).

Music Holiday

Die Kollegen vom britischen International Piano Magazin werben auf Facebook für ein Angebot, das die magische Kombination »Italien und die Künste« in einem ebenso magischen Bild auf den Punkt bringt: Das Klavier für den preisbewussten Amateur, wie es nach und nach von toten Tieren bedeckt wird.

Alice Sara Ott

Was kann man gegen den ewigen Zwang nach Hochglanz in der Klassikwelt überhaupt tun? Subversiv sein, so wie Alice Sara Ott: Sie hebelt ein ganzes Image – hübsche Pianistin, Glitzerkleid, romantisches Geklimper – auf ihren Facebook-Titelbild mit einem simplen Positionswechsel aus und zeigt, wie sehr sie darauf …  pfeift.

Gazprom Gergiev

Stardirigent, Kriegsende, Flaggen, Gazprom. Mehr erfahren? Lieber nicht.

André Rieu

Dafür lesen wir dieses unschuldige Bekenntnis von André Rieu. Was mögen jetzt wohl die Zuschauer denken, die seine Konzerte zu anderen Jahreszeiten besuchen, da anderes in seinem Herzen ist, zum Beispiel Gier (Sommer), Betroffenheit (Herbst) oder Angst/Langeweile (Winter)?

Julian Rachlin

»Violin. Viola. Conductor.«, haut uns Julian Rachlin seinen unique selling point auf Facebook um die Ohren. »Meine Güte«, staunen wir. Dass er als schnöder Slapstick-Komiker mit Bauchansatz irgendwie echter wirkt, zeigt er uns netterweise mit diesem Schnappschuss. »Erfindet eure eigene Bildunterschrift« fordert er seine Follower auf. »I love you«, fährt es uns durch den Kopf.

Xavier de Maistre

Zeichentheoriker, Kunsthistoriker und Bildwissenschaftler – helft uns: Was ist es, das hier so hypnotisierend wirkt: Die Harfe? Die Moldau? Die Haare? Das Licht? Das Kinn? Romantic Solo Album? Der Pulli? Wir sind raus. Hypnotisiert.

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