Plötzlich ist da ein unterirdischer Schacht, ein vermoostes Denkmal oder eine Ruine mit dem morbiden Charme des Verfalls in den Ritzen: Stoßen wir im Wald auf Spuren der Vergangenheit, sind düster-romantische Fantasien nicht weit. Vielleicht, weil wir das Gefühl haben, an etwas Geheimnisvolles zu rühren, eine Geschichte, die vor dem Vergessen noch einmal erzählt werden will. „Lost Places“ gibt es viele in der Gegend – hier eine kleine Auswahl.
Steinbruch Haddessen
Mit dem Steinbruch oberhalb von Haddessen brach Ende der 40er Jahre ein goldenes Zeitalter an. Bauwerke wuchsen empor, mit erheblichem Aufwand wurden unterirdische Transportanlagen zu den riesigen Bunkern gebaut. Als der Boom vorbei war, heulte 30 Jahre der Wind durch den riesigen Komplex aus Beton und Stahl, die Kraterlandschaft war zum Tummelplatz für Außenseiter geworden, bevor man sie zur forstlichen Nutzung an die Süntelwaldgenossenschaften gab. Nur Reste des gesprengten Verladebunkers erinnern heute noch an den einstigen Betrieb.
Schacht Osterwald
Wandert man durch den Osterwald, findet man allenthalben Spuren des Kohleabbaus. Neben dem Lichtschacht II, aus dem 2014 ein Kind und eine Frau gerettet werden mussten, gibt es einen weiteren Tiefbauschacht, von dem nur noch eine Halde und Teile der Bremsbahn Zeugnis ablegen. Geschaffen im Jahr 1879, stammte die Hauptfördermenge des Osterwalder Bergbaus aus diesem Schacht. Erste Einschnitte brachte der Erste Weltkrieg. 1915 wurde die Förderung eingestellt. Die Wasserhaltungsmaschine wurde ausgebaut, die Strecken gesäubert. Die Grube soff ab.
Janssens Park
Ein verwunschener Ort, perfekt für ein romantisches Stelldichein, so wirkt Janssens Park am Ende des Klütviertels. Gekauft wurde das Gelände 1907 vom Fabrikanten Heinrich Janssen. Wie ein englischer Park gestaltet, lenkt es die Blicke auf die Stadt oder besondere Bäume. Rund 20Jahre später ließ die Familie auch ein Teehaus errichten. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde der Garten regelmäßig genutzt. Heute ist er verwildert, aber immer wieder Anziehungspunkt für vereinzelte kulturelle Veranstaltungen.
Horst-Wessel-Ehrenmal
Moos hat sich auf dem Horst-Wessel-Denkmal ausgebreitet, Dornengestrüpp und Totholz umgeben die am Boden liegenden Brocken wie ein Abwehrwall. Die Natur ist dabei, das gewaltige, in zwei Teile zerbrochene Ehrenmal zu überdecken, als wollte es beim Vergessen helfen. Man muss schon genau hinschauen, um das Relikt aus der Zeit des Nationalsozialismus zu entdecken. In voller Größe stand die zwölf Meter hohe Steinsäule nach ihrer Einweihung 1939 nur sechs Jahre am Süntelberg oberhalb von Welliehausen. Am 20. April 1945 sprengte das amerikanische Militär die Statue. Fast vergessen ist heute auch die besondere Bedeutung des Standortes: Das Ehrenmal wurde in direkter Sichtachse zum Bückeberg gebaut, so, dass Horst Wessel vom Bergrücken des Süntels symbolisch die Besucher des Reichserntedankfestes grüßte. Die Vorfahren des SA-Anführers stammten aus Hameln. Nach seinem Tode wurde er von der NS-Bewegung als Märtyrer gefeiert, das von ihm verfasste „Horst-Wessel-Lied“ wurde von 1933-45 ein Teil der damaligen deutschen Nationalhymne.
Hügelgrab Möllenbeck
Überall in der Region finden sich noch Hügelgräber, die von der Nutzung durch den Menschen der älteren Bronzezeit vor rund 3500 Jahren zeugen. Die Gräber, die so alt sind wie die berühmte Himmelsscheibe von Nebra, wirken wie natürliche Erhebungen. Einige liegen in den westlichen Hängen des Möllenbecker Waldes . Sie sind etwa 80 Zentimeter hoch und haben einen Durchmesser von 13 bis 14 Metern. Bei Grabungen durch den Rintelner Kreisarchäologen Paul Erdniß in den 1920er Jahren wurden Keramikreste gefunden.
Top-Secret-Terrain
Das frühere Top-Secret-Terrain der der in der Gemarkung Bad Münder gelegenen Nato-Station regte schon immer die Fantasie von Spurensuchern an. Die 1963/64 errichtete Militärbasis wurde vor 26 Jahren aufgelöst. Nach Abzug des Militärs, zunächst Niederländer, dann Amerikaner, war der Weg bis auf ein eingezäuntes Areal jedem zugänglich. Im Boden eingelassene Klappen gab es wirklich, allerdings sind sie von US-Soldaten aufgefüllt und dicht gemacht worden. Ob es unterirdische Gänge oder Anlagen gab, bleibt ein Geheimnis.
Klütfestung
Nur noch Steinreste erinnern an die Ende des 18. Jahrhunderts errichtete Hamelner Klütfestung, die sich in drei Forts von der Bergkuppe bis an den Fuß zog. Ein Torbogen von Fort George befindet sich in der Nähe des Klütturms. Gut erhalten sind Erdwälle mit steilen Böschungen, Erdschanzen sowie einzelne Laufgräben. Ihre Konturen sind im Gelände noch gut erkennbar. Die Reste der Wehranlagen liegen heute fast vollständig unter dem Wald. Bei der Schleifung der Befestigungsanlagen auf dem Klüt im Jahre 1808 wurde das Steinmaterial größtenteils beseitigt.
Der Wackelstein
Im nördlichen Ith bei Coppenbrügge erhebt sich ein merkwürdiges Felsgebilde am Oberberg in der Nähe von Teufelsküche und Fahnenstein: der Wackel- oder Garwindelstein. Über die Jahrhunderte wurde hier immer wieder ein vorchristlicher Kultplatz vermutet. Auch NS-Ideologen machten sich die Mythen zunutze: In der Dewezet vom 8. Mai 1942 wird über germanische Volks- und Weihestätten an Hils und Ith berichtet. Heute liegt der Stein im Naturschutzgebiet. Zum Wackelstein führt nur ein alter zugewachsener Weg, er ist heute tabu für den Menschen.
Imkerhaus Rehren
Wohl jeder in Rehren und Umgebung kennt das alte Imkerhaus, das heute verlassen am Waldrand liegt und verfällt. Früher machte hier Ernst Stemme Honig, rund 30 Jahre lang. 30 Bienenvölker hatte der Hobbyimker. Oft kamen Freunde dazu, denn bei Ernst ließ sich gut klönen, manchmal auch trinken. Gebaut wurde es 1953, wohnen konnte Stemme dort allerdings nicht – es war nicht an die Kanalisation angeschlossen. Nach dem Tod des Vaters verkaufte der Sohn das Haus. Der neue Besitzer verkaufte erneut – nun an eine Imkerin.
Impressum
Ein Multimedia-Projekt der Dewezet
© 2015 Deister- und Weserzeitung Hameln
Text: Dorothee Balzereit
Fotos: Dana Pollok, Dorothee Balzereit, Frank Neitz, Tobias Landmann, Frank Werner, Jens Rathmann
Historische Fotos: www.suentel.com
Multimediale Aufbereitung: Jobst Christian Höche, Nicole Trodler